Schutzzweck von Straßenverkehrsvorschriften

Schutzzweck von Straßenverkehrsvorschriften

Die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) verlangen von Verkehrsteilnehmern ein bestimmtes Verhalten. Dieses Gesetz gilt für Straßen mit öffentlichem Verkehr; dies sind jene, die von jedermann unter denselben Bedingungen benützt werden können. Gemäß § 9 Abs. 1 StVO dürfen zB Sperrlinien nicht über- und Sperrflächen nicht befahren werden. § 16 Abs. 2 lit. b StVO verbietet das Überholen bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen. In § 17 Abs. 1 StVO ist bspw. geregelt, dass das Vorbeifahren nur gestattet ist, wenn dadurch andere Straßenbenützer, insb. entgegenkommende, weder gefährdet noch behindert werden. Wenn man gegen eine Bestimmung der StVO verstößt und es zu einem Verkehrsunfall kommt, bedeutet das allerdings nicht sofort, dass derjenige, der gegen die StVO verstoßen hat, für den eingetretenen Schaden haftet. Jede Norm hat einen gewissen Schutzzweck, soll also gewisse andere Verkehrsteilnehmer schützen. Verkehrsteilnehmer, die nicht vom Kreis des Schutzzweckes umfasst sind, werden durch die Normen sohin nicht geschützt. Wenn der Geschädigte nicht zum geschützten Personenkreis zählt, fehlt es am Rechtswidrigkeitszusammenhang und haftet der rechtswidrig handelnde Schädiger folglich nicht.

In einem ganz aktuellen Fall hat der Oberste Gerichtshof (OGH 2 Ob 218/22f, 13.12.2022) den Schutzzweck des Überholverbotes nach § 16 Abs. 2 lit. b StVO klargestellt. Diese Bestimmung soll Überholmanövern vorbeugen, die trotz ungenügender Sicht oder unübersichtlicher Straßenstellen begonnen werden. Der Schutzzweck dieses Verbotes besteht v.a. darin, den Gegenverkehr nicht zu gefährden. Aber es sollen dadurch auch all jene Schäden verhindert werden, die beim Überholvorgang während des Vorbeibewegens am überholten Fahrzeug und beim Wiedereinordnen entstehen können. Biegt nun das überholte Fahrzeug plötzlich und für den verkehrswidrig Überholenden nicht erkennbar, nach links ab, so sieht der OGH darin keinen Rechtswidrigkeitszusammenhang. Ein Überholverbot schützt nicht einen Verkehrsteilnehmer, der in dieselbe Richtung wie das überholende Fahrzeug fährt und ohne sich zu vergewissern, ob er überholt wird, also auch vorschriftswidrig nach links abbiegt. Das bedeutet, der rechtswidrig Überholende haftet nicht für den Schaden am Fahrzeug des vorschriftswidrig nach links Abbiegenden.

Wurden Sie in einen Verkehrsunfall verwickelt, so unterstützt Sie die Advocatur Böhler gerne!